Die Schleicherstraße

Die Schleicherstraße gehört zu den schönen und beschaulichen Straßen, die östlich der Bahnhofstraße um die Jahrhundertwende in der Gemarkung Quierau entstanden sind.

Sie stellt die Verbindung von der Jutta- zur Köppelsdorfer Str. her und ist auf ihren knapp 500m Länge eine relativ ruhige und verkehrsarme Straße mit schönen Bürgerhäusern. Um die Jahrhundertwende im wesentlichen bebaut, zählt sie zu dem quadratischen Straßennetz, welches weitsichtige Stadtväter um diese Zeit planten und zielstrebig in Angriff nahmen. Die Schleicherstraße schneidet auf ihrem Lauf die Karlstraße und die Bernhardstraße.

Benannt ist sie nach dem bekannten Sprachforscher August Schleicher, der in Meiningen geboren, mit seinem Vater, dem Arzt Dr. Johann Gottlieb Schleicher, bereits im Alter von einem Jahr 1821 nach Sonneberg kam und sich stets als Sonneberger fühlte. Obwohl August Schleicher die meiste Zeit seines Lebens an vielen europäischen Universitäten tätig war, verband ihn eine tiefe Liebe zu Sonneberg.

Seine Mutter stammte aus der bekannten Theologenfamilie Heim aus Solz bei Meiningen und war mit dem berühmten Berliner Arzt Dr. Heim verwandt. Professor August Schleicher lehrte seit 1850 Slawistik an der Jenaer und weiterer ausländischer Universitäten.

1857 hielt er sich aus gesundheitlichen Gründen längere Zeit in Sonneberg auf, wo er u. a. das Buch "Volkstümliches aus Sonneberg" verfasste. Zu seinem 150. Geburtstag 1971 ehrte ihn die Jenaer Universität mit einem Festakt.

Der damalige Bürgermeister der Stadt Sonneberg überbrachte die Grüße seiner Heimatstadt.

Teilnehmer des Festaktes kamen am Folgetag nach Sonneberg, wo sie am Denkmal von Professor August Schleicher in der Kirchstraße Kränze und Blumen niederlegten und anschließend im Saal des Schlossberges nochmals eineEhrung stattfand.

Der aus Mengersgereuth-Hämmern stammende Sprachforscher Dr.Heinz Sperschneider brachte zum 150. Geburtstagu. a. seine Schrift "Synchronischer und diachronischer Sprachvergleich" heraus. Als die Stadtverwaltung 1955 für die jährlich 200.000 bis 250.000 Besucher des Museums eine Toilettenanlage in der Nähe des Schleicherdenkmals errichtete, dauerte es nicht lange und witzige Sumbarger erfanden den Spruch: "Neben dem Denkmal für Professor Schleicher steht die Villa von Herrn Seicher."

Wer heute oben an der Juttastraße seinen Weg durch die Schleicherstraße beginnt, sieht rechts eine große unbebaute Fläche, die einstmals der Deutschen Reichsbahn gehörte und als Baugelände für Eisenbahner vorgesehen war.

Links dagegen befindet sich - zur Juttastraße als Haus Nr. 32 gehörend - das stattliche Gebäude der nach der Katholischen Kirche benannten einstigen Gaststätte "Zum St. Stephan", einst von der Familie Schindhelm betrieben. Unmittelbar darunter sieht man die schönen Bürgerhäuser. Etwas zurück stand die im Jahr 2008 abgerissene *Turnhalle der einstigen Oberrealschule "Werner v. Siemens" bzw. der ehemaligen Erweiterten Oberschule "Professor Herman Pistor" (zu Zeit im Eigentum der AWO AJS gGmbH Erfurt*).

Der 1. Teil der Schule wurde 1903 errichtet und nach dem 1.Weltkrieg durch einen Erweiterungsbau bis zur Kreuzung Schleicherstraße vergrößert. Die Ecke Schleicherstraße/Karlstraße bebaute man erst in den 20er Jahren. In den Jahren 1923/24 entstand das große vierstöckige Geschäftshaus der Spielwaren- und Puppengroßhandlung Schlegel in der Karlstraße 24 durch Max Schlegel. Nach Übernahme durch seinen Bruder Walter Schlegel führte das Geschäft sein Sohn Hans Schlegel von 1966 bis zur Schließung im Jahr 1989.

Im oberen Bereich der Schleicherstraße, im Haus Nr. 5, befand sich die Puppenfabrik Berthold Bätz, das auch das Elternhaus von Dr. Bätz (Bürgermeister vom 01.04. - 12.04.1945) war. Weiterhin waren in der Schleicherstraße 2 Bäckereien (Richard Schneider und Gustav Diem) sowie eine Lebensmittelgroßhandlung, ein Lederwarengeschäft und ein Ofenbauhandwerksbetrieb. Als Abschluss (Haus Nr. 29) an der Köppelsdorfer Straße konnte man in der "Bierglocke" (Adolf Dorst) bei gutbürgerlicher Küche einkehren. Gegenüber stand die Tankstelle von Frau Luzie Schmidt (Lenk). Im 2. Weltkrieg gab es durch den Bombenangriff am 14.02.1945 im unteren Straßenbereich beträchtliche Schäden sowie am Gebäude der Oberrealschule durch Ari-Beschuss am11.04.1945, das als Hilfslazarett diente. Durch Brandbomben wurde am 14.02.1945 das Doppelhaus Schleicherstraße 25 (Georg Michaelis) und 27 (Wolfram) beträchtlich beschädigt. Die Schleicherstraße gehörte zu den Ende des 19. Jahrhunderts angelegten Straßen des so genannten "Schachbrettviertels" und liegt im Grenzbereich der Gemarkungen Quierau und Lohau.

Während das Wort "Quierau" (heute zwischen Köppelsdorfer Straße und Bernhardstraße) auf im Mittelalter gebräuchliche "durch Hand und Vieh betriebene Mühlen"hindeutet, wird "Lohau" von "am Loh" auf sumbargisch "Lua" abgeleitet.

Die gut 9 Meter breite Straße wurde mit Bürgersteigen zwischen 1892 und 1913 gebaut. Zwischen Karlstraße und Köppelsdorfer Straße ist heute noch das Großkopfpflaster vorhanden, während die obere Schleicherstraße lange Zeit nur als sandgeschlämmte Straßendecke vorhanden war und erst vor Jahren eine Teerdecke erhielt. Die in der Straße vorhanden 23 Wohnhäuser sind alle noch aus der Zeit der Jahrhundertwende - in den letzten 80 Jahrenen erfolgte in der Schleicherstraße kein Neubau. Zwischen den 1960er und 2010er Jahren hat die Bernhardstraße als Einbahnstraße die Funktion der B 89 übernommen. Dadurch wurde die Schleicherstraße von sehr starkem Verkehr stadteinwärts durchschnitten.*

Text: Gerhard Stier (*mit Änderungen R.Kirsten)